
Rentierflechte (Cladonia portentosa auf Empetrum)
Flechten stellen in Hochgebirge und Arktis, aber auch in den Heiden und Trockenrasen der Dünen, einen wichtigen Teil der Vegeta-tion dar. Sie sind Pflanzen, aber nicht so richtig, und auseinanderhalten kann sie kaum ein Mensch.
Im Alltag begegnet man ihnen auf Grabkrän-zen und Modelleisenbahnen, im Freiland eher auf Sandtrockenrasen und in der Heide.
Die buschigen Rentierflechten sind eine be-sonders auffallende Flechtengruppe. Wie alle Flechten sind sie eine Arbeitsgemein-schaft aus einem Pilz und einzelligen Algen, eine klassische Symbiose.
Der Flechtenpilz ist der Chemiker im Hause und besorgt aus dem magersten Unter-grund, notfalls sogar aus nacktem Fels, die benötigten Mineralien. Die mikroskopischen Grünalgen beherrschen den Trick mit der Photosynthese und versorgen die Lebens-gemeinschaft mit Kohlehydraten. Gemein-sam sind Pilz und Alge in Form der Flechte unschlagbar, was die Besiedlung lebens-feindlicher Orte anbelangt.
Wo sind Rentierflechten zu finden?
Die meisten der buschigen Rentierflechten sind an karge, saure Böden gebunden, wo ih-nen Blütenpflanzen keine Konkurrenz machen.
Das Auftreten von Rentierflechten in der Kü-stenheide auf Krähenbeersträuchern zeigt sehr gute, weil luftfeuchte Wuchsbedingungen an. Flechten besitzen nämlich keine Rinde und können Feuchtigkeit nicht festhalten. Daher wachsen sie nur, solange es feucht ist. Und das ist an der Küste so oft der Fall, dass sie sogar Heidekraut überwuchern.
Bei Trockenheit verfallen Flechten in einen Ru-hezustand, in dem sie jahrelang überlebensfähig bleiben.
Die Flechtenvermehrung erfolgt über spezielle Körnchen aus Pilzgewebe und Algen oder durch abbrechende Stücke. Unter den guten Wuchsbedingungen der Dünenheide kann eine Rentierflechte in 1 – 2 Jahren heranwachsen.
Hätten Sie gedacht, dass…
… die etwa 8 verschiedenen Arten von Rentier-flechten sich teilweise so ähneln, dass sie nur mit chemischen Nachweisreagenzien unterscheidbar sind?
… die grau-weiß gefärbten Flechten „verspiegelt“ sind? Das von den Algen benötigte Sonnenlicht dringt hinein, ihre Grünfärbung aber nicht hinaus.
… die Zellwände der Flechten wie bei allen Pilzen aus Chitin bestehen, dem Panzermaterial der In-sekten und Krebse?
… Rentiere deshalb Chitin abbauende Darmbakte-rien haben, um Flechten zu verdauen?
… Mehl aus trockenen Flechten in Notzeiten zum Backen verwendet wurde, obwohl es für Menschen kaum Nährwert hat, sondern nur den Magen füllt?
… der radioaktive Fallout von Tschernobyl 1986 sich besonders stark in Rentierflechten konzen-triert, so dass skandinavische und sibirische Ren-tiere jahrelang als Nahrungsmittel bedenklich wa-ren/ sind?
… Flechten aus einem Herbarium noch nach 100 Jahren im Freiland wieder weiterwachsen können?